Schiedsrichterin Mühlmann: „Ich musste sieben rote Karten verteilen“

Interview mit HVN-Schiedsrichterin Judith Mühlmann vom TuS Altwarmbüchen zum Thema: Was ist denn bitteschön so toll daran, Schiedsrichter zu sein? Dabei verrät sie unter anderem, was sie als Schiedsrichterin zu hören bekommen hat, nur weil sie eine Frau ist.


Judith, bitte erzähl kurz wie du dazu gekommen bist, Handball-Schiedsrichterin zu werden?

Judith Mühlmann: „Ich habe als Jugendliche selbst Handball gespielt und wurde von meinem damaligen Verein angeworben. Da war ich 15 Jahre alt und noch Schülerin. Das Geld, das Schiedsrichter als Aufwandsentschädigung bekommen, war für mich ein guter Zuverdienst. Und ich habe schnell gemerkt, dass mir das Pfeifen gefällt.“

 

Was genau hat dir am Schiedsrichter-Sein gefallen?

J.M.: „Ich mag Handball unheimlich gern. Das ist ein toller Mannschaftssport mit einer hohen Dynamik und zum Teil dramatischen Verläufen, wo das Spiel zwischen Sieg und Niederlage für beide Teams hin- und herpendelt. Als Schiedsrichterin ist man mittendrin im Geschehen und bekommt all das hautnah mit. Zudem habe ich irgendwann aus zeitlichen Gründen aufgehört, selbst Handball zu spielen. Und der Job des Schiedsrichters hat mir geholfen, trotzdem weiter mit diesem tollen Sport in Kontakt zu bleiben.“

 

Für das Pfeifen reichte also deine Zeit, für das Spielen aber nicht? Ist der Job des Schiedsrichters nicht auch recht zeitaufwändig?

J.M.: „Nein, finde ich nicht. Als Schiedsrichterin bist du zeitlich nicht so eingeschränkt und viel flexibler im Vergleich zu einer Spielerin, die regelmäßig mehrmals pro Woche zu festen Trainingszeiten irgendwo in einer Halle erscheinen muss. Als Schiedsrichterin kann man deutlich freier über seine Termine entscheiden, da hatte ich noch nie terminliche Probleme. Auch Termine für Spiele, die ich pfeife, kann ich ja so mit dem Ansetzer absprechen, dass sie in meinen eigenen Terminplan optimal reinpassen. Das geht als einzelne Spielerin in einem Team in der Form nicht. Und der eine Lehrgang vor jeder Saison ist vom Zeitaufwand auch sehr überschaubar.“

 

Es wird oft und gern seitens der Trainer, Spieler oder Zuschauer über Schiedsrichter geschimpft. Ist das nicht etwas, bei dem du dir selbst sagst: Warum tue ich mir das eigentlich an?

J.M.: „Nein, als so schlimm habe ich das nie erlebt. Auch wenn ich natürlich schon mal Spiele habe, bei denen ich nicht gut pfeife, einfach weil ich einen schlechten Tag habe. Das kommt vor. Dann muss man sich die Kritik gefallen lassen und annehmen. Jeder hat mal einen schlechten Tag und macht Fehler. Manchmal ist es aber so, dass ich es besser weiß als die Zuschauer oder Trainer. Dann muss man die Kritik an sich abprallen lassen. Aber eigentlich ist es öfter so, dass Trainer vor dem Spiel auf meine Gespannpartnerin und mich zukommen und sagen: Schön, dass ihr das Spiel pfeift. Oder die Trainer bedanken sich nach dem Spiel für eine gute Leistung bei uns. Das kommt tatsächlich öfter vor als Spiele, bei denen man nur kritisiert wird.“

 

Gab es Spiele, bei denen Trainer, Spieler oder Zuschauer mit ihrer Kritik weit über das sonst Übliche hinausgeschossen sind und du dich dadurch unwohl oder sogar persönlich bedroht gefühlt hast?

J.M.: „Nein, so richtig heftig habe ich das noch nicht erlebt. Dazu muss ich sagen: Es gibt Mittel, das Spiel und die Zuschauer zu beruhigen. So kann ich zum Beispiel damit arbeiten, sehr kleinlich zu pfeifen und viel zu korrigieren wie etwa die Ausführung von Freiwürfen. Und je lauter die Zuschauer werden, desto lauter pfeife ich. Das und ein klares Auftreten kann auch schon helfen, ein Spiel mehr in den Griff zu bekommen. Letztlich kann ich vom Hallendienst verlangen, dass ganz penetrante Zuschauer, die von der Tribüne aus schimpfen, die Halle verlassen müssen. Das muss man sich zur Not einfach trauen, denn dann ist Ruhe.“

 

Das hört sich so an, als wenn du mit Kritik und selbstsicheren Auftreten gegenüber anderen Menschen kein Problem hast. Muss man diese Eigenschaften mitbringen um als Schiedsrichterin bestehen zu können?

J.M.: „Es stimmt schon, dass es mir noch nie schwer fiel, vor einer größeren Gruppe von Menschen zu sprechen. Ich war nie das verschüchterte Mauerblümchen. In der Schule war ich auch Klassensprecherin. Aber im Prinzip kann jeder Schiedsrichter werden und an der Aufgabe wachsen. Wichtig ist dafür, dass man Kritik annehmen kann. Und diese zum Beispiel gezielt durch Beobachtungen von Schiedsrichter-Kollegen einfordert. Dadurch lernt man viel dazu.“

 

Du hast nun schon einige Dinge angesprochen, die für den Job als Schiedsrichter sprechen. Willst du noch etwas hinzufügen?

J.M.: „Ohne Schiedsrichter gibt es den Sport nicht mehr. Es geht nicht ohne! Leider gibt es aber derzeit nicht genügend Nachwuchs bei den Schiedsrichtern. Bei den Lehrgängen auf HVN-Ebene vor jeder Saison sind es eigentlich immer die gleichen und viele ältere Gespanne. Der Altersdurchschnitt bei den Schiedsrichtern ist ziemlich hoch. Wenn die wegfallen, sieht es ganz schlecht aus.“

 

Beim TuS Altwarmbüchen haben wir seit Jahren Probleme, Mädchen und Frauen für den Job als Schiedsrichterin zu gewinnen. Hast du mal erlebt, dass du als weibliche Schiedsrichterin irgendwie schlechter behandelt wurdest als deine männlichen Kollegen?

J.M.: „Dazu fällt mir ein Derby in Magdeburg ein, das ich vor Jahren gepfiffen habe und bei dem ich sieben rote Karten verteilen musste. Die waren alle korrekt, mir blieb nichts anderes übrig. Das ging in dem Spiel einfach total ab. Das werde ich nie vergessen, genauso wenig wie was der Trainer der einen Mannschaft nach dem Spiel zu mir sagte: `Das hast du als Frau toll hinbekommen!´ Das war aber auch schon die einzige Anmerkung in diese Richtung, die ich jemals gehört habe. Wirklich Negatives habe ich also diesbezüglich nicht wahrgenommen.“

 

Judith, vielen Dank für die Einblicke und das Gespräch.

J.M.: „Gern. Ich möchte noch kurz die Gelegenheit wahrnehmen und allen Mädels anbieten, sich an mich zu wenden, wenn sie Fragen zum Thema Schiedsrichterin haben. Meine E-Mail-Adresse könnt ihr über den Schiedsrichter-Wart vom TuS Altwarmbüchen, Tobias Kuske, erhalten.“

 

 

Der TuS Altwarmbüchen sucht dringend neue Schiedsrichter!

 

Der Verein bezahlt den Lehrgang, die nötige Kleidung und Ausrüstung und organisiert auch die Anmeldung zu den Schiedsrichter-Lehrgängen.

Im Gegenzug erhaltet ihr als Schiedsrichter:

  • kostenlosen Zugang zu allen Spielen in der Region Hannover bis einschließlich Oberliga
  • eine Aufwandsentschädigung von bis zu 20 Euro pro Spiel
  • plus Fahrtgeld von 0,3 Euro pro gefahrenem Kilometer (hin und zurück)
  • Wie Judith es im Interview beschrieben hat, kann man zudem menschlich sehr viel über sich selbst und andere Menschen lernen 
  • eine Aufwertung seines Lebenslaufs
  • das Wissen, dass man der TuS-Handballsparte hilft, weniger Strafen wegen zu wenigen Schiedsrichtern zu zahlen und wodurch die Mitgliedsbeiträge sinnvoller (z. B. Für Trikots oder Bälle) eingesetzt werden können.

Bei Interesse meldet Euch bitte bei Schiedsrichter-Wart Tobias Kuske unter: tobiaskuske@gmx.de

Termine zu den Schiedsrichter-Lehrgängen veröffentlichen wir in Kürze. Die Ausbildung erfolgt an zweimal zwei Tagen (Freitagnachmittag/-abend und Samstag).

 

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